Yoga

Michaela Kleber

Yogalehrerin

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Vom Hoffen und Glücklichsein

von Michaela Kleber

Zur Jahreswende von 2021 nach 2022 fiel mir auf, dass in den guten Wünschen meiner Freunde und Bekannten öfter als sonst von Hoffnung die Rede war: Alle hoffen, dass im Lauf dieses neuen Jahres die Pandemie sich verflüchtigen wird wie ein böser Traum, das Virus endgültig zum harmlosen Schnupfen mutieren und alle Einschränkungen der persönlichen Freiheit endgültig der Vergangenheit angehören werden. Und mir fiel auch auf, dass ich mich an diesem Hoffen nicht beteiligen mag. Nicht etwa, weil ich der Meinung wäre, dass es nicht so kommen wird. Vielmehr geht es mir so, dass ich meine innere Ruhe und meine Lebensfreude nicht an das Eintreten oder Nichteintreten von äußeren Ereignisse binden möchte.

In der Hoffnung auf ein ungewisses Ereignis, das in der Zukunft liegt, schwingt für mein Gefühl immer die Angst mit, dass es möglicherweise nicht eintreten könnte. Die Angst ist damit die Kehrseite der Hoffnung und nicht ihr Gegenteil. Wir wissen, wie das Leben sein soll und füchten uns davor, dass es anders sein könnte. Das Vertrauen in das Leben, das ich kultivieren möchte, bezieht sich eher auf meine eigenes inneres Erleben: Zuversichtlich sein, dass ich lernen kann damit gut umzugehen, was auch immer kommen mag.

In Wikipedia habe ich ein Zitat gefunden, das ich hier mit euch teilen möchte: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sodern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht." Man findet es an der Giebelwand eines Wohnblocks in Weimar, und es stammt angeblich von Vaclav Havel.

Letztlich beruht unsere Haltung zur Zukunft auf einer bestimmten Vorstellung über die Ursachen des Glücks: Ist Glück (nur) das, was ich empfinde, wenn ich (von woher auch immer) bekomme, was ich mir dringend wünsche? Entscheidet also das, was das Leben mir vor die Füße legt, das Wetter, die Gesundheit, die Politik, das Verhalten der anderen, die finanziellen Mittel, die mir zur Verfügung stehen ... über mein Glücklichsein?

Im Grunde wissen wir nicht einmal, welches äußere Ereignis tatsächlich das Beste für uns bereithält. Diesen Gedanken drückt die folgende kleine Geschichte aus, die angeblich aus China stammt und in vielen verschiedenen Varianten erzählt wird:

Ein alter Mann, der mit seinem Sohn zusammen lebte, züchtete Pferde. Eines Tages lief sein wertvollster Hengst davon. Die Nachbarn kamen, um ihr Bedauern auszudrücken, doch der Mann sagte nur: "Woher wisst ihr, dass dies ein Unglück ist?" Am nächsten Tag kam der Hengst, begleitet von einigen Wildpferden zurück, und die Nachbarn kamen wieder, um zu dem Glücksfall zu gratulieren, doch der Mann sagte nur: "Woher wisst ihr, dass dies ein Glücksfall ist?" Am nächsten Tag wurde der Sohn beim Versuch, eines der Tiere zuzureiten, abgeworfen und brach sich ein Bein. Wieder kamen die Nachbarn, um ihr Mitleid zu bekunden, doch der Mann sagte nur: "Woher wisst ihr, dass dies ein Unglück ist?" Kurz darauf kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, doch da der Sohn verletzt war, wurde er nicht als Soldat einberufen. Doch wer weiß schon, ob dies ein Glücksfall ist?

Ist vielleicht vielmehr Glücklichsein – nicht die überschwengliche, dramatische Variante davon sondern ein tiefes, stilles Glücklichsein – der natürliche Zustand, der eintritt, wenn das Habenwollen und das Nichthabenwollen sich beruhigen, wenn ich im Kontakt und im Frieden mit mir selbst bin, wenn ich meine innere Verbundenheit mit allem spüren kann und offen bin für die Schönheit der kleinen und großen Dinge? Wenn das wahr ist, dann ist ein Geschenk von außen nicht mehr und nicht weniger als ein Trigger für das Empfinden dieses unserer menschlichen Natur innewohnenden Glücklichseins, eine Gelegenheit aber nicht eine Voraussetzung für dieses Empfinden.

In diesem Sinne wünsche ich allen viel Glück für das (nicht mehr ganz) neue Jahr.